Aus der Geschichte unserer Kirche - Riedstadt

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Historisches zur Erfelder Kirche

(nach einem Vortrag von Walter Glock im Oktober 2009)

Der Baubeginn der Erfelder Kirche im Jahr 1833 fällt in eine Zeit, in welcher sich große wirtschaftliche und auch landschaftliche Veränderungen in Erfelden und seiner Gemarkung vollzogen, die sich auch auf den neuen Kirchenbau auswirkten.

Diese Veränderung wurde verursacht durch den Rheindurchstich in den Jahren 1828 bis 1830, den der großherzogliche Wasserbauinspektor und Mitglied der großherzoglichen Oberbaudirektion, Claus Kröncke, durchführte.

Dem damaligen Bürgermeister Jakob Nold war Claus Kröncke kein Unbekannter. Kröncke war auf wichtige Informationen von Überschwemmungen, Pegelständen sowie über Geländeeigentümer für sein Projekt Rheindurchstich am Geyer angewiesen. Wie aus den Gemeindeprotokollen hervorgeht, war es eine gute Zusammenarbeit, woraus man später beim Kirchenbau profitierte.

Schon vor der Reformation (um 1520) stand an der Stelle der neuen Erfelder Kirche eine kleine Kapelle für den katholischen Gottesdienst. Nach Einführung des lutherischen Got-tesdienstes wurde die Kapelle zweimal erweitert, zuerst 1606 und im größeren Ausmaß 1765. Bis zu ihrem Abriss 1830 diente sie 300 Jahre lang den Erfeldern als Gotteshaus.

Der damalige Pfarrer Valentin Clotz und der Kirchenvorstand beschwerten sich ständig beim Bürgermeister, dass der geringe Besuch des Gottesdienstes auf den miserablen Zu-stand des gesamten Kirchengebäudes zurückginge. Fortwährend wäre im Gottesdienst ein verdächtiges Krachen zu hören, und dieses würde die Gottesdienstbesucher verunsichern und so daran hindern, der Predigt zu folgen.

Um ein Unglück unter diesen Umständen zu verhindern, ersuchte der Bürgermeister den großherzoglichen Landrat, hier Abhilfe zu schaffen. Landrat Heim aus Dornberg (Groß-Gerau) beauftragte den großherzoglichen Provinzbaumeister Georg August Lerch als Sachverständigen mit einem Gutachten über den baulichen Zustand der Kirche.

Baumeister Lerch, der später auch die heutige Erfelder Kirche entwarf und baute, schreibt in seinem Gutachten unter anderem:

„Das Gebäude ist in einem Zustand, dass der Regen und Wind von allen Seiten eindringt, so dass ohne Verzug  alle religiösen Handlungen eingestellt und die Kirche sobald wie möglich von Polizei wegen geschlossen werden muss.“

Landrat Heim befiehlt deswegen am 18. März 1828 dem Bürgermeister, die Kirche unver-züglich zu schließen.

Die im Gemeindearchiv vorhandenen Aufzeichnungen über den Abriss und die Versteigerungen der alten Kirche lassen Vermutungen darüber zu, wie diese ausgesehen haben mag. In der Größe entsprach sie ungefähr der heute noch stehenden Goddelauer Kirche. Auch der Innenraum war ähnlich gestaltet.

Nun warf sich die Frage auf: Wo sollen die Erfelder Gläubigen den Gottesdienst besuchen?

Direkt nach der Schließung der Kirche wurde der Gottesdienst auf dem Friedhof abgehalten. Der Friedhof befand sich zur damaligen Zeit noch um die Kirche herum und wurde erst im Jahre 1860 wegen Platzmangels nach „außerhalb“ verlegt, wo er sich heute noch befindet. Heute befindet sich an der Stelle des alten Friedhofs der Kirchgarten.

Man war damals noch weit von einer eigenen Kirchengemeinde mit Pfarrer entfernt. Es gab einen Kirchenvorstand; die Pfarrei wurde jedoch von Goddelau verwaltet und vom dortigen Pfarrer betreut. Die Erfelder mussten nach Goddelau zum Gottesdienst gehen. Die Kirchenvorstände bei-der Gemeinden mussten sich über die Verteilung der Stände und Plätze für die Erfelder Gäste einigen, damit hinterher keine anstößigen Irrungen entstanden. So wurden die Plätze für die Verheirateten und Ledigen nach ihrem Alter und Stand getrennt ausgewiesen.

Nach geglückter Einigung meinte der damalige Pfarrer Clotz, eine Überfüllung der Kirche durch den Zustrom der Erfelder Gottesdienstbesucher befürchte er nicht.

Es war bei diesen Verhandlungen auch vereinbart worden, einmal im Monat einen Gottes-dienst für ältere und gebrechliche Ortsbürger abzuhalten. Dieser fand im Rathaus oder in der Schulstube, im so genannten Leichtweiß’schen Haus statt. Das Leichtweiß’sche Haus steht gegenüber unserer Kirche und beherbergt heute den Kindergarten Sonnenschein.

Dieses Haus war Schule und Wohnhaus von Lehrer Peter Leichtweiß aus Wolfskehlen. Als dieser von der großherzoglichen Schulbehörde die Lehrerstelle als „Lebensstelle“ in Erfelden bekam, war das erste Schulhaus, in dem er unterrichten sollte, genau so marode wie unsere alte Kirche. Es wurde 1692 niedergerissen. Das in Wolfskehlen stehende Haus von Lehrer Leichtweiß wurde abgetragen und 1693 als Schul- und Wohnhaus in Erfelden wieder aufgebaut. Lehrer Leichtweiß unterrichtete von 1692 bis1708 in Erfelden. Nach seinem Tode kaufte die bürgerliche Gemeinde dieses Haus. Das Schulhaus erfuhr 1760 bis 1761 einen Umbau, der fast einem Neubau gleich kam. Bei dieser Maßnahme richtete man auch eine Pfarrstube ein, die auf Gemeindekosten unterhalten wurde.

In dieser Pfarrstube wurde vor dem Abriss der alten Kirche die Orgel installiert und der Altar aufgebaut. Man hatte sogar in Erwägung gezogen, einen Glockenstuhl auf dem Dach dies Leichtweiß’schen Hauses  oder des Rathauses  zu errichten und die kleinste Glocke des Geläutes dort aufzuhängen. Aus Kostengründen wurde dieses Vorhaben nicht ausgeführt.

Am 25. März 1830 wurde vom Großherzog über den Landrat Heim die Genehmigung zum Abriss der alten Kirche erteilt. Nachdem man alle noch brauchbaren Gegenstände gesi-chert hatte, wurde am 16. April 1830 mit der Versteigerung begonnen. Es wurde das Holz der Inneneinrichtung, die Vertäfelung, das Gebälk, das Gemäuer aus Sandsteinen und die noch brauchbaren Schieferziegel versteigert. Der Erlös dieser Versteigerung betrug 217 Gulden und 52 Kreuzer. Diese wurden dem Baufonds für die neue Kirche zugeschlagen. Die brauchbaren Reste des Bauschutts wurden für die Fundamente der neuen Kirche verwendet.

Zur Baugeschichte der neuen Erfelder Kirche

Schon bei der Schließung der alten Kirche 1828 war man sich im Gemeindevorstand be-wusst, dass Erfelden eine neue Kirche brauchte. So wurde am 26. Juni 1828 der Neubau einer Kirche beschlossen. Gleichzeitig fasste der Gemeindevorstand den Entschluss, den Erlös aus gemeindeeigenen Wiesen- und Weidenverpachtungen, cirka 700 Gulden, als Rücklage in einem Baufonds anzulegen. In dieser Zeit oblag die Finanzierung einer neuen Kirche, die Verpflichtungen zur Unterhaltung sowie Instandsetzung in den Händen der zivilen bürgerlichen Gemeinde. Ausgenommen war lediglich das Gehalt des Pfarrers.

Die Erfelder Kirche war eine der letzten im Kreisgebiet, die einer politischen Gemeinde gehörte. Sie wurde erst 1973 der damals neu entstehenden eigenständigen Kirchengemeinde Erfelden geschenkt.

Nach dem Abriss drängte der Großherzog den Bürgermeister und Landrat, die nötigen Geldmittel für einen Neubau anzuweisen.

Durch verheerende Hochwasser in den Jahren 1819, 1824 und 1826 waren nicht nur ge-meindeeigene, sondern auch viele Wiesen, Weiden und Ackerflächen der Bauern ohne Ertrag geblieben. Somit waren Steuern und Pachteinnahmen für die Gemeindekasse ausgeblieben. Der Bürgermeister musste bei der Lagebesprechung mit dem Landrat eingestehen, nur geringfügige Mittel zur Verfügung zu haben.

Die Beschaffung der nötigen Geldmittel für den Kirchenbau bleibt auf Jahre hinaus das zentrale Problem der Gemeinde. Bürgermeister und Pfarrer wenden sich mehrmals an den Landrat und schildern die traurige Lage der hiesigen Einwohnerschaft in Bezug auf ihre religiösen Bedürfnisse.

Landrat Heim bat bei der oberen großherzoglichen Finanzbehörde um die Genehmigung, Kollekten und Beträge aus den Kirchenkasten (Kirchenkassen) der Nachbargemeinden empfangen zu dürfen. Ohne diese Hilfe müsse der Kirchenneubau noch viele Jahre hin-ausgeschoben werden.

Man hatte in der großherzoglichen Verwaltung Verständnis für die Sorgen der Erfelder um ihren Kirchenneubau. Letztendlich stimmte man dem Finanzierungsplan zu, unter der Bedingung, genaue prüfbare Zahlen über das Vermögen der Erfelder sowie der benachbarten „Kirchenkassen“.

Wie „Hausierer“ ziehen Landrat Heim, Pfarrer Clotz und Bürgermeister Nold zu den Nach-bargemeinden und den umliegenden Pfarreien, um die nötige Unterstützung zu erhalten.

Die Nachbarn lassen sich nicht vergeblich bitten. Innerhalb kurzer Zeit treffen nun finanzielle Zusagen aus den Gemeinden Bauschheim, Biebesheim, Dornheim, Leeheim, Stockstadt und Wolfskehlen ein. Durch einen nochmaligen Spendenaufruf des Bürgermeisters an die Erfelder Bürger rückt der Kirchenneubau in greifbare Nähe.

Obwohl man wusste, dass die gespendete Summe für den Neubau nicht reichen würde, teilten Landrat Heim und Bürgermeister Nold umgehend der Oberbaudirektion das Kirchenvermögen mit, um es zu prüfen. Man erbat umgehende Information, welche Größe die neue Kirche haben sollte.

Als die ersten Daten über die Größe der Kirche vorlagen, war man damit in der Kirchen-verwaltung Goddelau nicht einverstanden. Wie konnte die Kirche einer Filiale und ohne Pfarrer größer sein, als die in eigener Gemeinde?

Mit entscheidend war die Tatsache, dass Erfelden zu dieser Zeit mehr Einwohner (680) als Goddelau (630) und auch 30 Schulkinder mehr hatte als Goddelau.

Auch Pfarrer Clotz war der Meinung, dass die neue Kirche ein Drittel größer sein sollte als die Goddelauer, obwohl er anmahnte, dass die Einwohnerzahl durch den Rheindurchstich und die damit verbundenen wirtschaftlichen Einbußen nicht mehr steigen würde.

Wie aus Gemeinderats-Protokollen hervorgeht, hatten Bürgermeister Nold sowie der Ge-meinderat schon eine gewisse Vorstellung über Größe und Aussehen der neuen Kirche, zumal in der Zeit nach dem Abriss der alten Kirche feststand, dass der Provinzialbaumeis-ter Lerch die neue Kirche planen und bauen würde.

Baustil der Erfelder Kirche

Nun zum Baustil der Kirche und den Architekten Georg Lerch und Georg Moller. Die Erfel-der Kirche wurde im klassizistischen Baustil erbaut.

Der klassizistische Baustil

Der klassizistische Baustil ist eine Nachbildung längst vergangener antiker Baukultur.

Der Klassizismus erstrebte eine Neubelebung der Antike, bevorzugte im Gegensatz zum Vergangenen die strenge einfache Klarheit in sich geschlossener Baukörper, so wie wir es in unserer Kirche vorfinden.

Diese Stilrichtung hatte im ausgehenden 18. Jahrhundert bis Mitte des 19. Jahrhunderts ihre größte Entfaltung – in der Zeit, als die Erfelder Kirche entstand.

Die äußere Gestaltung dieses Baustils kennzeichnen folgende Merkmale:

Unverputzte natursteingemauerte Außenfassade, hohe rundbogige Fenster und Eingänge umrahmt mit Gesimsen. Der quadratische Turm mit spitzem Helm steht vor dem Hauptgebäude. Durch den Turm führt das Eingangsportal in die Kirche. Ein weiteres Merkmal am Turm ist der begehbare Umlauf, auf den der damalige Bürgermeister Jakob Nold besonderen Wert legte.

Zum Charakter des klassizistischen Baustils im Inneren der Kirche gehören auf Säulen getragene umlaufende Emporen (nicht in Erfelden), stark hervortretende Deckenumrahmungen, Brüstungen mit Gesimsen sowie helle schmucklose Innenflächen. Die protestantische axiale Anordnung von Kanzel, Altar, Sakristei und Orgel sind in unserer Kirche exakt eingehalten.

Warum gerade dieser Baustil?

Großherzog Ludewig I., auch der Fromme genannt, hatte mit Georg Moller einen fähigen Architekten nach Darmstadt geholt. Wie kein anderer Oberbaudirektor vor und nach ihm hatte Georg Moller die Möglichkeit,  so großzügig im Großherzogtum, aber vor allem in Darmstadt, städtebauliche Akzente zu setzen.

Georg Moller (1784 bis 1852) begann seine Ausbildung zum Architekten in Hannover und ging danach zu Bauinspektor Friedrich Weinbrenner nach Karlsruhe, wo er gründliche theoretische Kenntnisse zur klassizistischen Architektur erwarb.

Im Februar 1810 fand Georg Moller eine Anstellung als großherzoglich-hessischer Baurat in Darmstadt. 1830 wurde er zum Oberhofbaudirektor ernannt.

Trotz der Totalzerstörung der Darmstädter Innenstadt 1944 ist seine Baukunst bis heute noch zu sehen, zum Beispiel die St. Ludwigskirche, das alte Hoftheater, die Kunsthalle am Steubenplatz und das Denkmal „Der lange Ludwig“.

Da auch der Großherzog vom klassizistischen Baustil sehr angetan war, ist es nicht ver-wunderlich, dass viele Kirchenneubauten in seinem Großherzogtum in diesem Baustil gebaut wurden.

Dazu kam noch, dass der verantwortliche großherzogliche Architekt unserer Kirche, Georg Lerch, ein Schüler von Georg Moller war.

Provinzialbaumeister Georg Lerch baute zur selben Zeit, als die Erfelder Kirche geplant wurde, zwei weitere Kirchen im Großherzogtum Hessen im klassizistischen Baustil. Die erste Kirche für die katholische Pfarrgemeinde Eppertshausen (bei Dieburg), erbaut 1825 bis 1830, die zweite Kirche in Sickenhofen (ebenfalls bei Dieburg) für die protestantische Pfarrei, erbaut 1828 bis 1830). Die Kirche in Sickenhofen gleicht unserer Kirche im äußeren Erscheinungsbild wie eine Zwillingsschwester.

Ein weiteres Argument, diesen Baustil zu wählen, war die Finanzierung. Man konnte sich die teuren Kirchenbauten vorhergehender Epochen nicht mehr leisten.

Georg Lerch

(geboren 1792 in Darmstadt, gestorben 1857 in Darmstadt). Der Vater von Georg Lerch Maurermeister und Baumeister. Georg Lerch wurde unter anderem:

  • Lehrer an der Architektenschule in Karlsruhe.
  • Lehrer für Mathematik an der neu gegründeten Realschule in Darmstadt.
  • Landesbaumeister der Provinz Starkenburg.
  • Kreisbaumeister für den Baubezirk Darmstadt, darunter auch der neu entstandene Kreis Groß-Gerau 1832.

Er erstellte zahlreiche Kirchen, darunter solche in Offenbach und Schaafheim. Zu seinen Objekten gehörten diverse Militär- und Regierungsbauten im Großherzogtum, unter anderen auch Rathäuser und Bahnhöfe für die in dieser Zeit entstehende hessische Staatseisenbahn.

Aus dem im Erfelder Gemeindearchiv vorhandenen Bau- und Rechnungsbuch über diesen Kirchenbau geht hervor, dass Architekt Georg Lerch jede Materialanlieferung, jede seiner Bauanweisungen, die er schriftlich mitteilte, auf seine Richtigkeit überprüfte und alle Rechnungen mit seiner Unterschrift abzeichnete. Außerdem achtete er sehr darauf, dass seine Diäten und Transportkosten (Kutsche) pünktlich vom Gemeindeeinnehmer beglichen wurden.

Wie aus einem Diätenbeleg aus dem Gemeindeprotokoll hervorgeht, hat Bürgermeister Jakob Nold mit zwei Gemeinderatsmitgliedern (Heinrich Müller und Georg Schäfer) 1829 den Kirchenneubau in Sickenhofen besichtigt. Der Neubau entsprach bis auf zwei Änderungen, die sie dem Architekten vorbrachten, ganz ihren Vorstellungen.

Es war zu dieser Zeit schon sehr mutig, gegen die großherzogliche Baudirektion Bauänderungswünsche vorzubringen, zumal nicht einmal die erforderliche Geldsumme vorhanden war. Aber wie das Schicksal spielte, hatte Vater Rhein 1832 bis 1833 wieder einmal für eine totale Überschwemmung gesorgt und damit den ersten Änderungswunsch begünstigt, nämlich einen etwas breiteren begehbaren Aussichtsrundgang oben auf dem gemauerten Turm. Der Umlauf war nicht dafür gedacht, die Kollekte aufzubessern, wenn man Besucher die schöne Aussicht genießen lässt, sondern um bei Hochwasser die Deiche besser beobachten zu können und schneller bei Gefahr eines Deichbruchs vor Ort zu sein.

Das sichere Auftreten des Bürgermeisters beruhte auch auf der Befürwortung und Unterstützung von Wasserbauinspektor Claus Kröncke, der diese Maßnahme unterstrich, obwohl sie mit Mehrkosten verbunden war.

Wegen des besseren Lichteinfalls kamen Architekt und Bürgermeister überein, die Empore nicht seitlich über die Fenster zu erweitern, sondern sie tiefer von hinten heraus zu gestalten. In den beiden Kirchen, die Georg Lerch in Eppertshausen und Sickenhofen baute, gehen die auf Säulen getragenen Emporen seitlich über die Fenster hinweg und nehmen dem Innenraum viel Tageslicht.

Auffällig und ungewöhnlich ist die Ausgestaltung der Erfelder Kirche im Inneren gegenüber den Kirchen in Eppertshausen und Sickenhofen, die genau dem klassizistischen Stil entsprechen und ganz in Weiß gehalten sind. In unserer Kirche widersetzt sich Baumeister Lerch gegen seinen Lehrmeister Georg Moller. Er lässt die Säulen, Gesimse der Architraven (Querbalken über den Säulen), Pilaster sowie Deckenumrahmungen dunkelgrün, fast schwarz, anlegen. Warum er von der stilgerechten Bauweise abgewichen ist, wurde bis heute nicht genau ergründet.

Auszug aus dem Restaurierungsbericht der Kirche von 1988

Zur Ausgestaltung des Inneren der Erfelder Kirche

Auffällig und ungewöhnlich ist das Schwarz der Säulen, Pilaster und Simse der Architrave in der Kirche zu Erfelden. Es hat durchaus seinen eigenen Reiz. Den klassizistischen Vorstellungen der Erbauerzeit, die sich an griechischen Tempeln aus weißem Marmor orientierte, kann es kaum entsprochen haben.

Dieser stilistischen Überlegung widerspricht der Befund der Restauratoren, die schwarze Farbreste gefunden haben und damit die Farbgebung bei der Renovierung (1988) begründeten.

Die Rechnung des Weißbinders im Kirchenbaubuch von 1833/34 erwähnt einen schwarzen Anstrich nur im Falle der sechs großen Fensterrahmen, Rechnung Nr. 43 (33), Punkt 20. Die Decke wurde geweißt (1), die Mauern matt grün getüncht (2), das Hauptgesims im Inneren weiß angestrichen (18), Säulen, Pilaster aus Stein mit Ölsilberfarbe (?) gestrichen (3), dergleichen die 12 Pilaster aus Holz (4) und Architrav, Brüstungen und Brüstungsgesims (5).

Die Angaben sind leider oft lückenhaft, indem sie sich auf den Voranschlag berufen, z.B. „den Altar mit Glanzfarbe angestrichen und matt grün marmoriert wie Voranschlag“. Mit Ölsilberfarbe wurde auch das äußere Hauptgesims gestrichen (26). Über diese Farbe war nichts herauszubekommen. Vielleicht ist es eine lokale Bezeichnung des Handwerkers. Eine weiß-grüne Farbgebung gibt es in anderen Kirchen der Mollerzeit. Dann müsste sich die Ölsilberfarbe im Laufe der Zeit chemisch von Weiß in Schwarz gewandelt haben. Das wird für möglich gehalten. Auf der Rechnung des Weißbinders im Kirchenbaubuch von 1833/34 wird nur erwähnt, die sechs Fensterrahmen schwarz anzulegen.

Pilaster sind aufgetragene flache Wandsäulen. Architrave sind Querbalken über den Säulen.

Architekt Georg Lerch war ein sparsamer und kostenbedachter Baumeister. Dies bewies er schon beim Anlegen der neuen Fundamente, indem er Steinreste der alten abgerissenen Kirche sowie Mauergestein aus Rheinhessen verwendete.

Die ersten Lieferscheine und Rechnungen über die Anlieferung von Mauergestein kamen aus den Steinbrüchen Oppenheim und Nierstein. Das Mauergestein wurde per Schiff in den Erfelder Bauhafen gebracht, der damals oberhalb der heutigen Fußgängerbrücke lag. Der Kalksandstein aus Rheinhessen war für eine unverputzte Außenanwendung nicht so gut geeignet; er ist weich und wasseranfällig. Es geht aus der Baubeschreibung nicht genau hervor, ob die Kirche schon zu Anfang mit einem Bruchsteinmauerwerk mit oder ohne Putz gebaut werden sollte. Zwischen den Lieferscheinen für Mauergestein aus Rheinhessen tauchen auch Lieferungen von Mauergestein von Steinbrüchen aus Neckarsteinach auf.

Das Merkwürdige an den Lieferungen des Mauergesteins aus Neckarsteinach ist ihre Verschiedenheit. Auf manchen Lieferscheinen steht normales Mauergestein; bei anderen Lieferungen steht erlesenes oder auserlesenes Mauergestein, das auch vom Preis her erheblich teurer war als das Mauergestein aus Rheinhessen. Der Neckarsandstein ist durch seine vulkanische Entstehung in seiner Beschaffenheit sehr viel härter und widerstandsfähiger als derjenige aus Rheinhessen, welcher durch Meeresablagerungen und Wasserdruck entstanden ist.

Somit ist das Mauerwerk unserer Kirche innen mit dem weicheren und günstigeren Rheinhessen-Sandstein und die sichtbaren Außenmauern aus dem härteren Gestein von Neckarsteinach gemauert worden.

Mit dem Beginn der Außenmauerarbeiten steht dem verantwortlichen Maurermeister Peter Moldaner aus Crumstadt auch ein Steinhauermeister aus Lengfeld zur Verfügung. Damit ist anzunehmen, dass der Steinhauermeister die Außenmauersteine aussuchte und mauergerecht zuhaute.

Dem Maurermeister Peter Moldaner standen zehn Maurergesellen aus Griesheim zur Ver-fügung, sowie etliche durchreisende Wandergesellen. Die beschäftigten Tagelöhner als Hilfskräfte waren vornehmlich aus Erfelden.

Die benötigten gebrannten Ziegelsteine für den Innenausbau kamen von der Ziegelei Senfter aus Oppenheim. Das zeigt uns, dass damals in Erfelden noch keine Backsteinproduktion vorhanden war. Erst in den Jahren 1865-70, als die Verlandung des Altrheins spürbar wurde, gab es die ersten Ziegeleien. Zur Blütezeit gab es in Erfelden 11 Backsteinhersteller. Die letzte Backsteinziegelei von Kurt Ehrenfels stellte 1977 ihren Betrieb ein. Ähnlich war es mit der Lieferung von gelöschtem Kalk für die Maurerarbeiten. Der Kalk kam von der Kalkbrennerei Michael Haller aus Stockstadt, Eine Kalkbrennerei in Erfelden wurde erst 1864 von Stadian Nold begonnen. Diese war bis 1922 in Betrieb. Der Kalkofen stand auf dem heutigen Richthofenplatz und wurde 1954 abgerissen.

Das Dachgebälk

Eine weitere Besonderheit an diesem Kirchenbau ist weder von innen noch von außen zu erkennen. Es ist das Dachgebälk, ein so genanntes Sprengwerk.

Ein Sprengwerk ist eine Trägerkonstruktion, bei der die Last des gesamten Daches auf die dazu vorgesehenen, verstärkten Außenwände übertragen wird und nicht auf die Decke. Diese Konstruktion wurde angewandt, wo breite Öffnungen zu überbrücken waren, so wie der Innenraum unserer Kirche. Darum gibt es auch die dicken Außenwände. Der Zimmer-meister war Georg Amendt aus Darmstadt, der auch das Turmgebälk sowie den Glocken-stuhl aufschlug.

Der Ablauf der handwerklichen Innenarbeiten lief dank der Vorgaben von Architekt Georg Lerch termingerecht. Alle beteiligten Handwerker sind im Bauprotokollbuch für ihre ausge-führten Arbeiten aufgelistet.

So konnte nach nur 17 monatiger Bauzeit die Kirche am 26. Oktober 1834 festlich einge-weiht werden.

Die Orgel

Der einzige Wehmutstropfen bei der Einweihung war die alte Orgel, die Orgelbaumeister Georg Dietz aus Zwingenberg wieder aus der Schulstube entfernte und in der neuen Kirche aufbaute. Orgelbauer Georg Dietz wies bei der Umsetzung der Orgel schon darauf hin, dass die alte Orgel ihre Dienste in dieser großen Kirche nicht lange durchhalten werde.

Somit wusste man schon bei der Einweihung der neuen Kirche, dass die Anschaffung einer neuen Orgel unumgänglich war. Trotz des schlechten Zustandes hielt die alte Orgel noch 5 Jahre durch und wurde später noch verkauft.

Zur Bürgermeisterfamilie Nold und dem damaligen Gemeinderat

Der Bauer Jakob Nold war von 1825 bis 1848 Bürgermeister von Erfelden. Der Familien-name Nold kam durch Einheiratung 1622 von Leeheim nach Erfelden, wo der Name heute noch zahlreich vertreten ist. Die meisten Vorfahren seiner Familie waren Gerichts- oder Centschöffen, Gemeinsmänner (im Gemeinderat) sowie Kirchensenioren.

Das Elternhaus des Bürgermeisters stand in der Wolfskehler Straße. Es wurde 1956 abgerissen.

Durch Verheiratung mit Anna Pettmann kam Jakob Nold in den Besitz der Hofreite in der Wilhelm-Leuschner-Straße. Dort befindet sich heute die Firma Kano.

Der Bürgermeister Jakob Nold war nicht der erste Bürgermeister in der Familiengeschichte Nold.

Sein Vorfahre Peter Nold war Schultheiß von 1713 bis 1728 in Erfelden. Sein erstgeborener Sohn, Stadian Nold, wurde Bürgermeister von 1856 bis 1865 und Jo-hannes Ludwig Nold von 1934 bis 1945.

Der Bürgermeister Nold war ein weit voraus denkender Bürgermeister, was er auch beim Kauf der Orgel bewies. Mit den beiden Gemeinderatsmitgliedern Johannes Rothmann und Jakob Fuchs handelte er beim fürstlichen Kanzleisekretär Haupt in Amorbach (im Odenwald) einen guten Preis für die Orgel aus.

Der Kauf dieser Orgel war für Erfelden ein Glücksfall, erkannte doch der Bürgermeister Nold bei seinem ersten Besuch in Amorbach, dass dieses Schmuckstück etwas Besonde-res für unsere Kirche ist – an Größe, Aussehen und Klangvolumen.

Nicht alle verantwortlichen Personen am fürstlichen Hof zu Leiningen waren mit dem Ver-kauf dieses Kleinods einverstanden. Mit dem Erlös sollte der Umbau der Klosterkirche so-wie die nötige Reparatur der größeren Orgel in der Kirche finanziert werden. Die hier zu sehende Orgel stand in der Amorbacher Klosterkirche über dem Eingangsbereich, der nur für den Eintritt der durchlauchtigsten Herrschaften diente.

Ein Stützpfeiler der Orgel erschwerte hier den Zutritt. Die untertänigen Kirchenbesucher konnten durch einen zweiten Zugang frei und leicht die Kirche betreten. Dieser Umstand veranlasste den Fürsten zum Umbau der Kirche und dem Verkauf dieser Orgel.

Beim Abbruch der Orgel in Amorbach und ihrer Instandsetzung für Erfelden, die Orgelbaumeister Georg Dingeldey im April 1838 begann, zeigen sich größere Mängel durch Verwurmung der Pfeifen und Windladen. Der Orgelbaumeister Dingeldey machte seine Arbeit „so gut wie neu“ und stellte das Werk in tadellosem Zustand zur Einweihung am 14. Juli 1839 in dieser Kirche vor.

Man muss kein Kunstexperte sein, um zu erkennen, dass die Orgel und die Kirche aus zwei grundverschiedenen Zeitepochen stammen. Die Orgel stammt aus der Barockzeit (17. Jahrhundert). Die Kirche ist klassizistisch (19. Jahrhundert). Trotz der zwei Zeitepochen stellen sie ein gelungenes Gesamtwerk dar.

Nicht nur im Kreis Groß-Gerau ist unsere Kirche ein besonderes Baudenkmal. Sie ist auch weit darüber hinaus als solches bekannt, so dass wir Erfelder mit Stolz auf unsere Kirche blicken können.

Quellennachweis: Gemeindearchiv Erfelden

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