Kirche - Riedstadt

Riedstadt

Angebote und Themen

Herzlich Willkommen! Entdecken Sie, welche Angebote zu Ihnen passen. Über das Kontaktformular sind wir offen für Ihre Anregungen.

AngeboteÜbersicht
Menümobile menu

Kirchenbrand

Kirchenbrand und Wiederaufbau der Wolfskehler Kirche vor 150 Jahren

Bevor wir das große Fest der Wiedereinweihung vom 8.-10.Juli 2016 feiern, wollen wir hier noch einmal kurz berichten, was sich am 20.August 1862 in Wolfskehlen ereignete. Wir nehmen dazu den von Pfarrer Luck verfassten Bericht vom 28.August als Grundlage: 

Bericht über den Brand: 

Der Pfarrer Ludwig Wilhelm Luck trat am 18.August 1862, einem Montag, um seine Gesundheit zu kräftigen, von seiner Frau bis Speyer begleitet eine Urlaubsreise in die bayrische Pfalz an. Nachdem sie in Speyer, der Geburtsstadt seiner Großmutter, etliches gesehen hatten, ließ sich die Frau des Pfarrers von einem unbegreiflichen und bänglichen Gedanken nach zu Hause überwältigt nicht länger zurückhalten heimzukehren.

Nachdem der Pfarrer seine Frau auf den Bahnhof begleitet, von welchem sie nach Darmstadt zurückreiste, fuhr er weiter. Es war am Abend des 20.August um 6 Uhr, als er den sog. Winterberg hinaufstieg und schweißtriefend, keuchend und sehr müde stille stand und sich niedersetzte mit dem Gedanken, „wie wohl mag es dem sein, der todmüde von seiner Lebensreise, ihrer Arbeit und ihrem Kampfe, zu seiner Ruhe eingehen kann!“ Er wusste nicht, aber es war ihm, als wenn es ihn Ahnung weckend berührte, was sich in derselben Stunde zu Hause ereignete.

Er hatte seiner Frau geschrieben, dass er am Samstag nach Heidelberg kommen würde und Anfang der folgenden Woche nach Hause kehren wolle. Als er nun am Samstag morgen um 3/4tel auf elf auf dem Heidelberger Bahnhof ausstieg, wie erstaunte er da, seine Frau mit einem Gefühlsausdruck, in welchem alle Spuren durchgemachten Schreckens lagen, ihn empfangen zu sehen.

Sie teilte ihm mit, zu Hause habe es zwar wieder im von Gemmingenschen Zehntenhofe gebrannt, aber das Pfarrhaus sei verschont worden, obgleich in großer Gefahr gewesen, sie habe es ihm selbst mitteilen wollen, dass er nicht erschrecke.

Erst des Nachmittags, im Zug im spärlich besetzten Wagen, erzählte die Frau dem Pfarrer, dass auch die Kirche am 20.August von dem ausgebrochenen Brand ergriffen und samt dem Turm abgebrannt sei, es habe nichts gerettet werden können als die Bilder in der Kirche sowie Taufstein und größtenteils der Altar.

Um sieben Uhr abends kamen wir in Darmstadt und dann bei geisterhaft feierlichem Vollmondschein auf dem Wägelchen in Wolfskehlen an. Schon von weitem sahen wir den dunklen Rumpf des Turmes schauerlich in den Nachthimmel ragen.

Die beiden Pfarrersleut wurden wahrhaft teilnehmend von den beiden Lehrern, dem Bürgermeister, Gemeindeeinnehmer und Distriktserheber im Pfarrhaus empfangen. Der ganze schreckliche Ausgang des Unglücks stand dem erschütterten Pfarrer vor Augen.

Der Brand war in demselben Augenblick ausgebrochen, als er todmüde auf dem Felspfad des Winterbergs ausruhte und sich die Ruhe bedürftige Stimmung eines bis zum Augenblick des Sterbens Kämpfenden vergegenwärtigte.

Am Abend seiner Ankunft wurde ihm noch gesagt, den Gottesdienst des andern Tages, eines Sonntags, habe Pfarrer Marx aus Leeheim, welcher während des Brandes geholfen, unter Assistenz von einigen andern benachbarten Pfarrern zu besorgen versprochen.

Am andern Morgen, nachdem Pfarrer Marx und Mitprediger Kullmann von Dornheim (der sich sogar bis in die Turmspitze gewagt haben soll, um die glimmenden Balken anfangs zu löschen) zum Gottesdienst erschienen, strömte eine große Menschenmenge von hier und auswärts in den schauerlichen schwarzen Raum innerhalb der Mauern der ausgebrannten Kirchenruine. Der Katheder der ersten Schule war als Predigerstätte an die Stelle der alten Kanzel gestellt.

Der ganze innere Raum des Schiffes war von zum großen Teil stehenden Menschen erfüllt. Der Prediger des Tages ging voran, der Pfarrer der Gemeinde folgte- erschüttert und bewegt beim Anblick seiner Gemeinde in den Kirchruinen und der Tränen, welche in den Augen auch verhärteter Alten standen.

Pfarrer Marx erinnerte daran, dass sich die Gemeinde nicht wie sonst durch Glockenschall eingeladen eingefunden habe. Diese Glocken seien ihr eigenes Grablied läutend gestürzt und zerschmolzen.

Nun aber frage unser Herz den Herrn über uns, warum hast du dieses geschehen lassen. Er möge uns allen im Gewissen die rechte Antwort geben, damit die Gemeinde lerne, was zu ihrem Frieden diene und sich prüfe, ob sie bisher die Predigt des Evangeliums sich habe zum Frieden dienen lassen. Soviel zu der Predigt, welche einen erschütternden und richtenden Eindruck auf die ganze Gemeinde machte.

Pfarrer Luck hielt es für seine Pflicht auch einige Worte zu sprechen. Er sagte unter anderem: 

„Unser Nachbar Pfarrer Marx hat gesagt: unser Herz frage Gott, warum hast du uns das gethan? Gott gibt mir, wie ich glaube, eine deutliche Antwort: Ich habe Euch die schöne stolze Kirche genommen, dass ihr erkennet, dass es nicht auf dies Äußerliche am meisten ankommt. Wir haben keine äußere Kirche mehr, aber Gott will, dass ich desto mehr die inwendige Kirche in Euch suchen möge.“

Er bot den Kirchenvorstehern die Hand mit der Bitte ihn im Bemühen um die Herzen der Gemeinde zu unterstützen.

Zum Hergang des Brandes. Am Abend des 20.August, eines Mittwochs, eines heißen Sommertags, brach um 6 Uhr abends im Gemmingenschen Zehntenbau, in dem Frucht, Stroh, Heu, Holz, Hanf und Gerätschaften sich befanden, ein Brand aus, indem aus dem unteren Seitenfenster ein dichter Qualm herausdrang. Es war dies der dritte dort entstandene Brand. Der Brand nahm schnell und gewaltig überhand und schon fast nach einer Stunde stürzte das Dach ein, und es sprühten nun flammende Feuerfunken und –ballen rings umher. Ein solcher Büschel fuhr um 7 Uhr, da der Wind von Norden nach Süden ging, in die ladenlose Öffnung des gar nicht so nahen Kirchturms (ca.300 Fuß), wo der Schieferdecker auszusteigen pflegte.

Sobald man an der Turmspitze einen dünn herauswirbelnden Rauch bemerkte, wurde der mutige Schornsteinfegergeselle Christian Bittel aus Pfungstadt veranlasst, auf Leitern bis zu der gefährlichen Stelle hinaufzuklimmen, konnte aber, weil man ihm nicht hinreichend Wasser hinaufzureichen vermochte, in dem schon mit dickem Qualm erfüllten Raum das Feuer nicht mehr ersticken.

Es entstand um die Spitze des Turms ein tanzendes Flämmchen, welches rings immer mehr hinan wuchs und Kreuz, Knopf und Hahn ins Glühen brachte, welches um ¼ ungefähr nach 8 auf das Dach der Scheune des Ölmüllers stürzten und dasselbe anzündeten, so dass diese und noch eine andere Scheune desselben abbrannten.

Jetzt geriet ein beträchtlicher Teil des Dorfes in Gefahr und es fing an in 5 Hofreiten zu brennen. Diese Gefahr wurde zwar abgewendet, hierdurch aber die Kraft der 16 herbeigekommenen Spritzen, von welchen mehrere nötig waren, bloß um die Wände und Dächer jener Hofreiten nass zu erhalten, zu sehr geteilt.

Überdies soll die Hitze durch den brennenden Turm so groß geworden sein, dass man es bis zu einer gewissen Entfernung hin nicht aushalten konnte.

Es war als ein Glück von Gott zu betrachten, dass der Frau des Pfarrers nicht bloß die Pfarrer von Leeheim, Goddelau und Dornheim wie auch Stockstadt sowie andere brave Leute von außerhalb und aus dem Dorf hilfreich zur Seite standen und dass sie selber Fassung, Mut und Geistesgegenwart behielt. Vor allem veranlasste sie mit andern, dass die beiden Ölgemälde in der Kirche rechtzeitig gerettet wurden, ebenso die Kirchenbücher, vasa sacra, Hypothekenkiste; der Pfarrer Marx von Leeheim räumte selbst mit seinem Sohn die Studierstube des Pfarrers aus.

Der übrige Teil des Turms brannte allmählich herunter. Die Kirchenuhr schlug noch 8 Uhr und blieb 20 Minuten vor neun stehen. Unsere drei alten herrlichen Glocken, von Wind und heißer Luft bewegt, spielten, Äolsharfen gleich ihr eignes und der Kirche Grabgeläute und um ¼ nach 9 stürzte der Turm ein.

Durch einige in das Kirchendach sich einbohrende Balken wurde dieses bald darauf in Brand gesteckt und konnte, weil der Schlauch der von ihrer Feuerwehr ausgezeichnet bedienten Hofheimer Hospitalspritze gebrochen war, nicht gerettet werden, so dass das Kirchendach mit der Decke um etwa 10 Uhr mit einem Donner, der in Dornheim gehört wurde, einstürzte.

Doch konnten außer den beiden für die Kirche gemalten Kirchenbildern - Kreuzigung und Auferstehung – auch noch Taufstein und Altar, 1856 und 1857 in Marmor errichtet, letzterer freilich mit Ausnahme einer Seitenwand, welche, da sie die Heraustragenden wegen drohenden Einsturzes der Decke fallen ließen, in viele große und kleine Stücke zersprang, und einiges wenige andere gerettet werden. Sämtliche Fenster, ebenfalls neu, darunter zwei von buntfarbigem Glas samt Emporbühne, Kanzel, Orgel und den Glocken ein Raub des Flammenmeeres geworden waren. So war unsere schöne Kirche, die 1852 inwendig und 1857 auswendig neu hergerichtet war, eine Ruine worden. 

Trotzdem ist die Gemeinde Gott herzlichen Dank schuldig, dass kein Verlust von Menschenleben zu beklagen ist.

Das alte Pfarrhaus mit Nebenbauten, auf drei Seiten rings vom Feuer umgeben, ist wie durch ein Wunder stehen geblieben.

Es sprach sich viel unverhohlener Unwille auch über das Unzureichende der Löschanstalten, indem nicht einmal brauchbare Feuerleitern und genug Feuereimer da waren, und die rechtzeitige zusammengreifende und Zucht und Ordnung haltende Aufsicht und Anstellung fehlte.

Der bessere und ernstere Teil der Gemeinde wünschte, dass zur Kirchweihfeier am Sonntag nach Michaelis in diesem Jahr keine Tanzmusiken und geräuschvollen Belustigungen des Kirchbrandes wegen stattfinden möchten, dass aber leider Wirte und Leute, die unter ihrem Einfluss standen, sich geäußert hatten, sie würden sich die Tanzmusik nicht nehmen lassen.

Der Prälat, der zu Besuch gekommen war und eine tröstliche Ansprache hielt,  unterstützte den Wunsch nach Unterlassung der Tanzmusik und geräuschvoller Feierlichkeiten und die Kirchenvorsteher erklärten sich hinsichtlich der Kirchweihfeier mit ausdrücklichem Ja alle einverstanden.

Der Pfarrer besuchte den Mann aus der Gemeinde, der in dieser Hinsicht am meisten zu sagen hatte, und der sagte zu dem Pfarrer, er sähe nicht ein, warum er durch Unterlassung der Kirchweihelustbarkeiten trauern und gewissermaßen einen Flor tragen solle, ihm sei ja sein Haus nicht abgebrannt, was ihm auch sehr lieb wäre. Die Kirche sei ja doch auch weiter nichts als ein Haus von Stein und Holz.

So wurde das Kreisamt angerufen und das lehnte trotz beharrlich zudringlicher Positionen und Vorstellungen der Wirte eine Erlaubnis zur Kirchweihetanzmusik ab. Die Gastwirte entschließen sich daher zuletzt, an das Ministerium durch einen Advokaten zu treten. Der Erste (Advokat) lehnte ab, ein zweiter, der sich gerne volkstümlich gab, nahm an. Die Genehmigung wurde wirklich erteilt, auch weil zuvor 4 Wochen Landestrauer um die Großherzogin ausgehalten worden war, und im Triumph von den Wirten nach Hause und unter die Leute gebracht-etwa drei Tage vor der Kirchweihe.

Übrigens soll das Kreisamt, das dann die Erlaubnis umsetzte, ausdrücklich und streng alle öffentlichen Umzüge bei der Kirchweihefeier verboten und auch nur für eine Nacht Tanzmusik erlaubt und Gendarmen zur Beaufsichtigung geschickt haben.

Obgleich die Wirte im Übermut ihres Triumphs so weit gegangen sind, dass sie durch Anschlag an den Straßenecken in Darmstadt zur Tanzmusik bei der Wolfskehler Kirchweihe wie auch durch die Zeitung einluden, war doch der ganze Charakter der Feier gemäßigt.

 

Gottesdienste im Rathaussaal

 

Da die Kirche jetzt nicht mehr für Gottesdienste nutzbar war, wurden diese bis zur Wiedereinweihung im Rathaussaal abgehalten.

Obwohl die benachbarten Geistlichen anboten, ihre Kirche für die anstehende Confirmation und Einsegnung (25.Mai 1863) zur Verfügung zu stellen, wurde diese im Rathaussaal abgehalten, da die Feierlichkeit für die Eltern und Kinder an einem anderen Ort fremdartig und störend gewesen wäre.

 

Wiederaufbau und Einweihung der Kirche nach dem Brand von 1862

Die Angelegenheit des Neubaues der Kirche nahm viel Zeit, Leidenschaft und Gerede in Anspruch.

Der ausgearbeitete Bauplan sah folgendes vor: Die Mauern der Kirche und des Turms sollten stehen bleiben, so jedoch, dass die Mauern der Kirche um etwa 2 % erhöht würden, das Kirchdach selbst sollte niedriger, der oberste Teil des Turmbaues sollte abgenommen, der Turm neu nebst vier gothischen Ecktürmchen, vier gothischen Giebeln, einer umlaufenden Gallerie und schlankerer Spitze aufgebauet werden. Der Chor sollte frei bleiben, die Kanzlei auf der Süd, der Taufstein auf der Nord=Seite (später bei der Ausführung wurden beide verwechselt) gesetzt, zwischen Chor und Schiff, zur Verbindung der beschädigten Mauern und zum Tragen des Daches ein Bogen gesetzt werden; die Orgel sollte dem Chor gegenüber auf der Turmseite, und vor derselben eine Emporbühne von 8 Sitzreihen angebracht werden; die bisherigen Fruchtkammern sollten wegfallen.

Bei Vorlegung des Planes ergab sich, das derselbe der Majorität der Gemeinde und Kirchenvorstandes, mit Ausnahme des Pfarrers, gänzlich missfiel, die vorgesehenen Emporbühnen seien unzulänglich; die Fruchtkammern fehlten ganz.

Nach einigen Verhandlungen wurde im Spätherbste 1863 die Arbeitsversteigerung behufs Neubaues der Kirche gehalten, deren Anfang auf das Frühjahr 1864 bestimmt war.

Im Frühjahr 1864 wurde mit der Wiederherstellung des Kirchbaues begonnen, und zwar mit Abbruch eines Teil der Mauernwände des Kirchenschiffes, so weit man glaubte, dass die durch den Brand Noth gelitten, namentlich auch zwischen den Fenstern tiefer herab, da diese höher werden sollten, und die Spitzbögen derselben neue Gewänder erhielten. Auch wurde die Kirchmauer um ca. 32 ” etwa erhöht. Im Jahr 1864 wurde eifrig an Kirche und Turm gearbeitet.

 Einsturz der Thurmpyramide

 „Segen komme Euch zu Gute Des Kindes, wird Euch schwer zu Muthe“

Am Morgen des sechsten Januar 1865 war es rauh und trüb, so dass unwillkürlich ein ernstes sorgenbeschwertes Herz noch ernster werden musste. Nach zehn Uhr wurde es so dunkel, dass der Pfarrer, welcher in der Studierstube an einem Briefe schrieb, zu dem ihn sein Verhängniß nöthigte, nicht mehr sehen konnte und zugleich durch die Stöße des sich erhebenden Sturmes erschreckt ans Fenster gen Osten ging, - und da vor Augen sahe, wie die Pyramide des Thurmes, welche nur unvollständig aufgeschlagen war, in die Höhe schwebte, als wenn sie um sich selbst tanzte, - dann gleichsam eine Verneigung machte und auf den Rücken des Kirchdaches herabstürzte.

Gleichzeitig war seine Frau ans Fenster gegangen und hatte noch einige Minuten vorher den Thurm in einem plötzlich hervortretenden Sonnenlichte betrachtet, als es dunkelte und die Pyramide in die Höhe gerissen wie eine Tänzerin schwebte u. herabstürzte.

Im Augenblick des Naturereignisses und unmittelbar nach dem Einsturz kam der Kirchenvorsteher Valentin Fuchs in den Hof gelaufen und rief dem Pfarrer zu: Der Thurm habe einen Theil der Kirchen Mauer eingestürzt. Der Pfarrer eilte mit einem runden Hütchen auf dem Kopf fort; aber schon vor der Hausthüre ergriff dieses der Wind und trieb es etwa 2ma rings im Hofe herum, so dass er Mühe hatte, es wieder zu erhaschen, - ein klarer Beweis, dass die Ursache des Kirchthurmeinsturzes ein Wirbelwind war. Damit stimmte die Meinung eines fremden Handwerksmannes überein, dass der Wirbelwind durch die um die insularisch stehende Kirche kreisförmig biegende Gasse zusammengepresst und verstärkt worden sei.

Jedenfalls wurde die Thurmpyramide durch eine schraubenartige Drehung des Windes, welcher sich in dem steinernen Rumpf des Thurmes bei noch offenen Elfenläden concentrirte von unten herausgehoben und in die Höhe gehoben, daher auch die Sparren unten nicht abgebrochen waren.

Dennoch legte der Sturm die Balken der Pyramide gestreckt und schonend auf die westliche Seite des Kirchdachs, die Spitze derselben schlug ins Kirchdach selbst ein mit beträchtlicher Beschädigung.

Ein Dachschieferstück fuhr sogar in den nächster Nähe befindlichen Saal der Schule der Elementarschüler, während diese noch versammelt waren, ohne jedoch Schaden zu thun.

Der größte Theil der Pyramide wurde unbrauchbar u. zersplittert; ein Menschenleben ist zum Glück nicht beschädigt worden. 

Was in der Gemeinde mobil war, stand alsbald auf dem Platz um die Kirche versammelt, - und die Aufregung über das geschehene Unglück war sehr groß, - insbesondre wurden Ausbrüche des Tadels und Vorwurfs gegen die Baubehörde laut, da man das Unglück von Nachlässigkeit in Verklammerung und Befestigung des aufgeschlagenen Thurmes ableitete.

Bürgermeister und Pfarrer sendeten sogleich einen Boten mit der schriftlichen Anzeige des Unglücks an das Kreisamt und das KreisbauAmt Groß Gerau, deren Vorsitzende auch noch desselben Tages Nachmittags um vier Uhr zur Besichtigung eintrafen. Ebenso waren die Zimmermeister gekommen, es wurden alsbald Anordnungen zur Hinwegräumung der Thurmtrümmer vom Dach getroffen, welche auch noch vor Sonntag bewerkstelligt wurde.

Es wurden zwar sogleich auf kreisamtliche Verfügung die Beschädigungen des Kirchendachs durch die Vorlage des Kirchenvorstandes wieder hergestellt, der Thurm selbst aber blieb Monate lang ohne Fortsetzung der Arbeit stehen, weil nach kreisamtlicher Verfügung weder die Gemeinde- noch die KirchenKasse Vorlage zur zweiten Wiederherstellung der Pyramide machen sollte, und weil der Zimmermeister sowie die Dachdeckermeister, welchen die Wiederherstellung des Kirchendachs zu 800 fl. accordirt wurde (die übertreibenden Zeitungsartikel hatten den Schaden zu Tausenden angegeben) wenig Neigung zeigten, die zweite Arbeit zu beginnen ohne Sicherheit, wer die Kosten bezahlen werde.

Auch mag zur Verzögerung eine längere und gefährliche Krankheit des Kreisbaumeisters beigetragen haben. 

1865 kam es zur Bestellung der Orgel beim Orgelbauer Rothermel in Zwingenberg für ca. 2.100 fl. Sie sollte 15 Register haben. Die Fa. Rothermel brachte am 24ten u. 26ten Februar 1866 die Orgelteile und bis zum 7. April (Samstag nach Ostern) war die Aufstellung vollendet, ein zu Herzen dringendes, kräftiges und harmonisches Werk.

Die Lieferung von drei Glocken wurde von dem Gemeindevorstand an den Glockengießer Hamm in Kaiserslautern um die Summe von 2.246 il. 20 Xr accordirt (vergeben).

Die Glocken wurden am 19. November 1865 geliefert. Der Pfarrer dichtete zwei Lieder, wovon das erste von den Schulkindern, welche mit dem Kirchen-,  Gemeinde u. Schulvorstand mit Fahnen den 22 Wagen, welche die mit Kränzen geschmückten Glocken fuhren, entgegenzogen, beim Einzug in den Ort gesungen wurde. 

 

Das Lied lautete:

Wie war uns doch beim Läuten

Aus Nahen und aus Weiten, -

Weils bei uns stumm so bange,

Wie ward die Zeit uns lange.

 

Der Thurm ging auf in Flammen

Die Kirche brach zusammen, -

Erglüht und stürzend klangen

Die Glocken unter Bangen.

 

Freut Euch, - die neuen kommen

Die bald zu unserm Frommen

Nun in der andern Chöre

Einstimmen Gott zur Ehre.

 

Die Glocken wurden feierlich zur Kirche gebracht, wo Pfarrer Luck eine ergreifende Rede an die Gemeinde hielt und am Sonntag, den 20. November wurden sie nachmittags gesegnet und eingeläutet.

(Die Glocken v. Georg Hamm, Kaiserlautern, sind gestimmt in f, as, c.)

 

Die Thurmpyramide wurde am 5ten August fertig aufgeschlagen, wobei die Arbeiter oft durch heftige Gewitterregen unterbrochen waren, das Versäumte aber oft durch bis in die Abenddämmerung fortgesetzte Arbeit nachholten, - wobei sie kühne Unerschrockenheit und Sicherheit an den Tag legten. Die Höhe des Kreuzes war l6'; von unten bis zur Gallerie 93' 2" von da bis zum Knauf 85', das Ganze 1942".

Am 9ten September wurde die sehr künstliche und mühsame Einfügung der SteinhauerArbeit durch die Maurer auf dem Thurm vollendet und zum Zeugnisse dessen zwei deutsche Fahnen aufgesteckt. Am 29ten September als am Michaelistage des Morgens zwischen 7 u. 9 Uhr kam bei klarstem Wetter das Kreuz und dann der Hahn auf den Kirchthurm schnell und ohne dass sich ein Unglück ereignete. In den Knauf des Kreuzes ist eine Urkunde auf Pergament in einem Köcher von Zink eingelegt werden.

Den Auftrag zur Lieferung einer Kirchturmuhr erhielt der Uhrmacher Ritsert in Umstadt zu 728 fl. 30 Xr.

Am 12. Dezember 1865 kam der Uhrmacher Ritsert von Groß-Umstadt mit Sohn und Gehilfe hierher um die ThurmUhr einzurichten, welche am 21ten December (also am kürzesten Tage) Donnerstags vor Weihnachten zum ersten Male geschlagen hat.

 

Das Jahr 1866: Letzte Vorbereitungen und Wiedereinweihung

So wie das Jahr 1866 dem ganzen deutschen und dem hessischen Volke und auch hiesiger Gemeinde als Kriegsjahr, so muss es auch der Gemeinde Wolfskehlen als das Jahr des Ausbaus und der Einweihung der Kirche unvergesslich sein. Die Kriegsbedrängnisse haben die Zeit von Pfingsten an bis fast zu Ende des Jahres erfüllt, die Angelegenheiten des Kirchbaues und der Einweihung haben uns bis Pfingsten in Anspruch genommen.

Da der Winter so gelinde und die Einweihung der Kirche sehr zu wünschen war, so hielten Pfarramt und KV es für ihre Pflicht deiselbe zu beschleunigen.

Der Orgelbauer Rothärmel von Zwingenberg kam schon am 24ten und 26ten Februar mit zwei Wägen, worin sich die Bestandteile der neuen Orgel befanden. Er weckte große Freude auch unter der neu- und wissbegierigen Jugend des Dorfes, von welcher die vor der Kirche abgeladnen Wägen bald umringt waren.

Die Müßigen der Gemeinde gafften und staunten. Bis zum 7ten April als den Samstag nach Ostern war die Aufstellung vollendet, ein zu Herzen dringendes, kräftiges und harmonisches Werk.

Nachdem Pfarrer Ebel zu Goddelau gepredigt hatte, übergab er dem hiesigen anwesenden Kirchenvorstand im Namen der Kirche und der Gemeinde Goddelau zwei schöne Leuchter aus so genanntem Christophel Metall, auf deren Fuß das Citat Johs.8, 12 (Ich bin das Licht der Welt) mit herzlicher Anrede, die gleichermaßen erwidert wurde. 

Einige Wochen darauf überbrachte auch der Glöckner von Stockstadt eine silberne Taufkanne mit der Inschrift Matth.28,19. „Gehet hin in alle Welt und lehret alle Völker und taufet sie -der Kirchengemeinde in Wolfskehlen von der Kirchengemeinde zu Stockstadt“- und einige Sonntage darauf der Glöckner von Leeheim eine silberne Taufschüssel mit der Inschrift Tit.3,5 „Gott macht uns selig durch das Bad der Wiedergeburt. Der Kirche zu Wolfskehlen in Liebe gewidmet von der Kirche zu Leeheim 1866.“

Es ergingen an die Gemeinden aufrichtige Danksagungsschreiben. Der Pfarrer wünschte, dass die Einweihung noch vor Pfingsten geschehe, damit die Confirmation wieder in der Kirche vorgenommen werden könne.

Die Frau des hier angestellten Großhl. Steuercommissar (Fritsch) schlug vor, dass die Frauen der Gemeinde zusammenlegten, wovon dann für die Kirche  ein Andenken gekauft werden sollte zum gottesdienstlichen Gebrauch. Es kamen gegen 48 Gulden zusammen. 

Da es keine Einigung über den zu erwerbenden Gegenstand gab, fand der Pfarrer Gelegenheit zu einer Besprechung mit der Frau, von welcher der Vorschlag eines Frauengeschenkes ausgegangen war. So kam es, dass zwei einfache Leuchter, ähnlich denen von Goddelau, besorgt wurden und in Darmstadt wurden die beiden Bilder der Reformatoren Luther und Melanchthon in Oeldruck und die schönen Goldrahmenleisten dazu bestellt.

Viele in der Gemeinde hatten die Feier auf einen Sonntag gewünscht und sich nur schwer belehren lassen, dass dies gegen den gewöhnlichen Brauch sei, Kircheneinweihungen in der Woche zu halten. Doch sah man nachher das Bessere ein und ergab sich.

Pfarrer und Bürgermeister hatten die jungen Mädchen auffordern lassen, sich zu melden, wer am Zuge Antheil nehmen wolle, welcher das Kirchengeräthe in die Kirche trage. Am Abend des 14.Mai wurde im Pfarrhaus von den zwanzig Mädchen das Los gezogen, welches Kirchengeräthe von jeder getragen werden sollte. So wurde zum Beispiel die alte zinnene Taufschüssel von der 22jährigen Katharine Hofmann getragen.

Wenige Tage vor der Einweihung wurde die Deckplatte des Altars in der Kirche emporgehoben und ein Köcher von Zink mit einer Pergament Urkunde über den Kirchbau hineingelegt, welche im Wesentlichen dem am 29ten September 1865 in den Knauf des Kirchthurmknopfes eingelegten gleich ist, und wozu nur noch hinzugefügt wurde, was sich seitdem bezüglich des Kirchbaus ereignet hat; also Einweihung der Glocken, Vollendung der Kirchenuhr, der Orgel und der Tag der Einweihung selbst. Die kürzere in den Kirchthurmknauf eingelegte Urkunde erzählt kurz die Geschichte des Kirchenbrandes, den Beginn des Wiederaufbaus, den Betrag der für Schiff, Chor und Thurm vorgesehenen Kosten, den Wiedereinsturz der Thurmpyramide, die Namen der Werkmeister beim Bau und viele Informationen über Kirche, Stadt, Land und Weltgeschichte.

Auf Anordnung des Bürgermeisters wurden von allen Häusern Fichten oder Tannen gesetzt, die meisten Häuser wurden mit Kränzen und Fahnen geschmückt, besonders gut nahm sich das neue Haus des Georg Schaefer III gegenüber der 2ten Schule und das Pfarrhaus aus.

Der Vortag, der fünfzehnte brachte viele und starke Regengüsse; der Morgen des 16ten aber brach – klar –obgleich etwas kalt heran. Die Festgäste kamen ziemlich frühe. Um 9 ½ Uhr begab sich der Zug vors Rathhaus.

Abschiedsgesang und Gebet waren kurz aber ergreifend, -es war darin gesagt: Wir wollten und sollten von Babylon nach Jerusalem ziehen. Der Zug war geordneter und imposanter, als man erwartet.

Unter Musikbegleitung und Glockengeläute bewegte sich der Zug zur Kirche in folgender Ordnung: Musik voraus, Schuljugend, der Großherzogliche Bauaspirant und die Bauhandwerker, die Jungfrauen, welche die kirchlichen Gefäße trugen, die Geistlichen – 12 an der Zahl - , Beamte geistlicher und weltlicher Behörden, andre Gäste, die Männer der Gemeinde nach Reihenfolge des Alters, desgleichen die Frauen, Jünglinge und Jungfrauen.

Das Mädchen, Regine Wagner, welches den Schlüssel trug, überreichte ihn dem Bauaspirant, welcher ihn mit wenigen ergriffenen Worten dem Kreisrath überreichte, der die Kirche den Schutz der weltlichen Obrigkeit verhieß und ihn dann dem Superintendenten übergab, welcher die Kirche im Namen des Dreieinigen eröffnete. Die Musik spielte „Eine feste Burg ist unser Gott.“ Es folgte gemeinsamer Gesang, die Weiherede des Superintendenten, wesentlich auf die ernste Physiognomie der Zeit und den drohenden Krieg Rücksicht nehmend, über das Wort Hephata Tue dich auf, gemeinsamer Gesang, dann die Predigt des Ortspfarrers über Korinther 1,3,11-18. Der Pfarrer fühlte sich tief und gewaltig ergriffen, erst beklemmt, dann aber zunehmend und mächtig erhaben von dem Acte selbst, von dem Schicksal seiner Gemeinde, u. dem ernsten großen Texte. Die Rede dauerte 30-40 Minuten, die ganze Einweihung der Kirche nur zwei Stunden absichtlich kurz. Es wurde ihm gesagt, dass er die Herzen ergriffen habe. Grundthema war der Text: „Einen andern Grund kann zwar Niemand legen, außer dem der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus.“

Das Schlussgebet lautete: Herr unser Gott, habe Dank für dies Gotteshaus. Das Feuer hat es uns genommen; Deine Liebe u. Gnade hat es uns wiedergeschenket. Laß uns nicht vergessen den ewigen Grund, worauf es erbauet ist, laß uns nicht darauf bauen die Vergänglichkeit der Welt…Segne uns dieses Haus zur Predigt, zur Heilsunterweisung für die Jugend, zur Rettung der Verirrten, zum Trost der Mühseligen, zur Taufe der Kinder, zur Weihe der Confirmanden, zum Frieden der Getrauten, zum Gedächtniß der Heimgerufenen; segne den Großherzog und sein Haus, das hessische und deutsche Vaterland und die ganze Christenheit, segne alle Stände u. Völker, die Gesunden, die Kranken und die Sterbenden und schenke und erneure uns den Frieden in Jesu Christo u. seinem Heil. Amen.

Beim Festessen, an dem etwa 85 Menschen teilnahmen, herrschte eine lebendige, herzliche, aber ernste und feierlich gehobene Stimmung.

Der Prälat hatte sowohl in der Kirche als auch bei dem Festessen den Vorschlag gemacht, die nun disponiblen drei Abendmahlskannen (von Zinn) an auswärtige, arme evangelische Gemeinden zu verschenken. Der Vater des Gustav Adolph Vereins schlug die Gemeinden Einöde in Österreich (bei Villach), St.Vith in Rheinpreußen und Heppenheim in der Bergstraße vor. Die Versendung der Gefäße erfolgte aber erst im Herbste dieses Jahres.

Am 20ten Mai wurde das Pfingstfest, am 21ten – unter ernster und ergriffner Theilnahme – die erste Confirmation in der neuen Kirche gefeiert.

Zu den kirchlichen Ereignissen dieses Jahres, die einen tiefen Eindruck auf die Gemeinde machten, gehört auch ein Einbruch in die Kirche, mit Raub von zwei Bibeln und einem Gesangbuch der Kirche, welcher Sonntags den 21ten Oktober entdeckt wurde.

Die Kosten des Wiederaufbaues des Turms und Kirche kamen auf 12973 Gulden und 12 Kreuzer. 

Diese Seite:Download PDFDrucken

to top